In der modernen Demokratie darf sich der Staat mit keiner bestimmten Religion identifizieren, und heiße sie auch Christentum. Dieser Überlegung steht der Erlass von Markus Söder, in öffentlichen Gebäuden in Bayern Kreuze aufzuhängen, diametral gegenüber. Nur in einem Staat ohne Gott können jedoch alle Bürger gemäß ihren durchaus unterschiedlichen religiösen oder sonstigen Überzeugungen in Freiheit leben. Staat ohne Gott heißt also nicht: Welt ohne Gott, auch nicht: Gesellschaft ohne Gott, und schon gar nicht: Mensch ohne Gott. Es heißt vielmehr, dass die Demokratie des Grundgesetzes mit jeder Form eines Gottesstaates, einer Theokratie, einer sakralen Ordnung oder eines christlichen Staates gänzlich unvereinbar ist. Die Entwicklung Deutschlands hin zu einer multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft hat neue Konfliktfelder zwischen den Anhängern verschiedener Glaubensrichtungen sowie zwischen ihnen und der Staatsgewalt entstehen lassen. Gerade angesichts der intensiv geführten Debatte um den Zusammenprall der Kulturen und die Herausforderung freiheitlicher westlicher Gesellschaften durch den Islam aber ist eine Besinnung auf die Grundstrukturen und Grundfragen des säkularen Staates geboten - auf sein Programm, sein Profil, seine Problematik.
Prof. Dr. Horst Dreier ist Professor für Rechtsphilosophie, Staatsrecht und Verwaltungsrecht in Würzburg und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der VHS Erding und dem evangelischen Bildungswerk Freising statt.